Credo im Konzertsaal
von Gertrud von Le Fort
Noch einmal in den allerletzten Stunden,
Da ein verfall'ner Stern am Himmel steht,
Seid überwältigt, die ihr hergefunden,
Von eines ernsten Glaubens Majestät.

Das Credo steigt empor, Ihn zu bezeugen,
Jedoch kein Priester waltet am Altar.
Kein Knie wird sich beim Incarnatus beugen:
Wir sind im Raum der Welt, des Glaubens bar.

Nur ich, die Muse, bin's, die hier verkündet.
Ihr hört mich an, doch ihr versteht mich kaum.
Der Klang nur ist's, der euch das Herz entzündet;
Die Worte irren heimatlos im Raum.

Und doch, sie sind's, die diesen Klang geboren,
Die einst Verheißung, Gnade, höchstes Gut,
Von Tausenden mit ihrem Blut beschworen
Vor wilden Tieren und in Feuersglut.

O könnt' ich sie auf meine K1änge heben,
Daß es wie Pfingststurm euren Geist befällt!
Ich bin die Letzte, der die Macht gegeben,
Ich – sonst wie ihr – ein armes Kind der Welt.

Es überkommt mich wie mit Feuerzungen.
O nehmt das Zeugnis dieser K1änge hin!
Ist's noch Gesang – so habe' ich nie gesungen
Ich bin die Letzte – ach, daß ich es bin!

Mir ist's, als wanken rings des Saales Mauern.
Ich war die Letzte – ach, es ist zu spät.
Erschauert ihr – o könntet ihr noch schauern!
Erwacht und wißt, warum ihr untergeht.

(verfaßt vermutlich 1935/36)

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